Passionsmusiken sind nicht gerade Renner in
der Publikumsgunst, es sei denn, es handelt sich um die großen Passionen
oder wie jetzt in der protestantischen Kirche in Freinsheim um ein bereits
zu seiner Entstehungszeit zum europäischen Hit ge-wordenenen Meisterwerk
wie Pergolesis "Stabat Mater". Die auf Bestellung einer geistlichen
Bruderschaft erfolgte Vertonung dieser lateinischen Sequenz ist das letzte
Werk des 1736 mit 26 Jahren verstorbenen Genies, ein Meilenstein in der
geistlichen Musik des 18. Jahrhunderts.
Auch wenn ein heutiger Hörer das einst wegen
seiner Neuartigkeit umstrittene Werk fast nur noch als gefällige Musik
empfindet, kann er sich seiner Empfindungstiefe nicht entziehen und erkennt
es vorbehaltslos an als zeitloses Juwel. Trauer und Schmerz erscheinen hier
auf so direkte Art und ohne Larmoyanz dargestellt, wie es |
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musikalisch wohl nur ein
Italiener so überzeugend ausdrücken kann.
Dass die Freinsheimer
"Stabat-Mater"-Aufführung als delikate, kammer-musikalisch intime
Interpretation dem Geist des Werks überzeugend gerecht wurde, ist einer
sympathischen jungen Künstlerschar zu verdanken: Die Sopranistin Almut-Maie
Fingerle, der Altistin Sandra Stahlheber, dem Quadriga-Quartett mit Julia
Röntz und Annika Möhle (Violinen), Vaida Rozinskaite (Viola), Eva Röntz
(Cello) und Stephan Aufenanger (Cembalo).
Die ursprünglich für
Kastraten gedachten Gesangspartien findet man heute auch in der modischen
Besetzung mit einem Knabensopran und einem Countertenor. An nuancierter
Klangdifferenzierung standen demgegenüber die noch in der Ausbildung
stehende Sopranistin mit stimmlicher Strahlkraft und die mit der Fülle und
Wärem ihres charaktervollen Timbres |
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noch überzeugendere Altistin in keiner Weise
nach. In den Duetten mischten sich ihre Stimmen vorzüglich, in den
Solo-Arien demonstrierten sie deutlich ausgeprägtes Eigenprofil.
Die kleine, recht flexible
Instrumentalbesetzung aus Quadriga-Quartett und ornamental bereicherndem
Cembalo garantierte dazu höchste Transparenz. In Artikulation und
Phrasierung ging diese Begleitung konform mit den reich kolorierten
Vokalpartien. Und deren auskomponierte Schluchzer und Schmachtlaute
spiegelten exakt all die Eindringlichkeit südländischer Religiosität wider.
Auch wenn die Sopranistin mal in den Höhen forciert und bezüglich der
Diktion Defizite aufwies, stets registriert man als besonders angenehm ihre
Distanz zu tremolierendem Ansatz. Und die lyrisch empfindsamen Töne wurden
schön ausgesponnen, in ihren Arien wie in denen der von der |
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gestalterischen
Ausstrahlung her überaus ansprechenden Altistin, beispielhaft glich in ihrem
"Quae maerebat et dolebat". Heraus kam so eine überzeugende Darstellung im
Stil einer geistlichen Kammermusik der reinsten Art.
Ob Händel tatsächlich als
Komponist der als Auftakt gesungenen Sopransolo-Kantate "Salve Regina" in
Frage kommt, wird stark bezweifelt. Immerhin war er so flexibel, dass er in
Italien erzkatholische und in England uranglikanische Sakralwerke schreiben
konnte. Die Affektdarstellung der dreisätzigen Kantate stand in auffälligem
Gegensatz zu Pergolesis Werk, hatte in Almut Fingerle aber eine Interpretin
gefunden, die beweglich in Höhe und Tiefe trotz starker dynamischer Wechsel
und offener Wünsche hinsichtlich der Textverständlichkeit dem Werk zu
sinnvoller Gestaltung verhalf. Ein höchst zufriedenes Auditorium dankte mit
reichlichem Applaus. (es) |